Change Management in der öffentlichen Verwaltung: Ab in den Maschinenraum!

Nils Brechbühler

In einer Zeit, in der die Welt um uns herum immer schneller wird und sich kontinuierlich verändert, ist es unerlässlich, dass auch die öffentliche Verwaltung Schritt hält und sich anpasst. Dabei wird der Aspekt des Change Management häufig vernachlässigt oder gar ignoriert. Doch ohne diesen entscheidenden Baustein wird die Umsetzung neuer Technologien in der Verwaltung niemals zu einer echten Transformation führen. In diesem Blogartikel möchte ich meine Gedanken und Erfahrungen zum Thema Change Management in der öffentlichen Verwaltung teilen, die ich am 17. April 2023 im Rahmen eines Workshops beim Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund (NSGB) geteilt habe.

Der Wandel beginnt bei der Führung: Anforderungen an moderne Verwaltungsleitungen

Eine erfolgreiche Umsetzung von Change Management in der öffentlichen Verwaltung erfordert eine engagierte Führung, die bereit ist, den Wandel voranzutreiben und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen. Führungskräfte müssen in der Lage sein eine Vision für die Zukunft zu entwickeln und klar zu kommunizieren. Dabei sind Empathie, strategisches Denken und kommunikative Fähigkeiten entscheidende Kompetenzen. Ich empfang es als äußerst positiv, dass an meiner Veranstaltung drei kommunale Bürgermeister und viele weitere Führungskräfte unterschiedlichster Kommunen teilgenommen haben.

Warum wir mehr vermehrt im Maschinenraum der Verwaltung als auf dem Oberdeck arbeiten sollten.

Warum Change Management so wichtig ist, brauch ich an dieser Stelle nicht zu wiederholen. Nahezu mantramäßig wird durch viele Experten:innen das Thema Change Management auf Messen und in Vorträgen propagiert. Mein persönlicher Fokus liegt eher auf der praktischen Umsetzung im "Maschinenraum der Verwaltung", also da wo man sich die Hände schmutzig machen muss. Denn nur wenn wir die Menschen - die tagtäglich in der Verwaltung arbeiten - erreichen und auf die Veränderungen aktiv vorbereiten, können wir Resultate erzielen. Und ja dazu gehört auch die Wahrheit, dass wir auf dieser Reise Menschen verlieren werden. Die Frage, die sich jede Organisation hierbei stellen sollte, ist auf wen wir uns konzentrieren wollen? Auf die 15%, die wir verloren haben oder auf die 70%, die sich noch "positiv" beeinflussen lässt. Pareto ist mächtig.

Ein lebendiges Miteinander: Offenheit und Vertrauen als Basis für erfolgreiche Veränderungen

Die Grundlage für eine erfolgreiche Transformation in der öffentlichen Verwaltung ist das Schaffen einer offenen und vertrauensvollen Kultur. Es klingt so banal und ist beim Fehlen so fatal. Nur so können Mitarbeiter:innen ihre kreativen Ideen und Bedenken teilen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben. Oder wird wirklich geglaubt, dass ein schicker Innovationshub eine toxische Organisationskultur heilt? Statt mit dem Finger auf andere zu zeigen, wenn Fehler passieren – ein leider typisch deutsches Verhalten – sollten wir ein Umfeld fördern, in dem aus Fehlern gelernt und gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Frei nach dem Motto: "Screw it, try again!"

Interessanterweise bestätigt die aktuelle BANI-Studie von Sopra Steria die Relevanz dieses Aspektes für die öffentliche Verwaltung. Obwohl man die eigene Strategie, Digitalisierung oder Resilienz als Top-Themen erwarten könnte, zeigt die Studie, dass das schlichte "Miteinander Reden" tatsächlich an erster Stelle steht. Dies verdeutlicht eindrücklich, wie wichtig eine offene Kommunikation für den Erfolg von Veränderungsprozessen ist.

Mitarbeiterbindung: Die Bedeutung von Arbeitsbedingungen und Change Management als Erfolgsfaktor

Nur die Einbindung aller Beteiligten in den Veränderungsprozess erwirkt eine breite Akzeptanz und Unterstützung für den angestrebten Wandel. Ganz egal, ob Einführung einer neuer Software, Etablierung einer neuen Leitungsstruktur oder die Digitalisierung der Poststelle. Das Dogma haben wir schon oft gehört - "Mitarbeiter mitnehmen". An aller erster Stelle steht für mich aber eher das Thema "Mitarbeiter halten". Hierbei hat das nominelle Change Management erstmal wenig Einfluss, denn hier sind vorrangig die eigenen Personalmanagement-Abteilungen und die jeweiligen Führungskräfte gefragt.

Es ist daher wichtig, genau die Arbeitsbedingungen zu schaffen, die es Menschen in der öffentlichen Verwaltung attraktiv macht dort arbeiten zu wollen. Und ja dazu gehört es auch, die rechtlichen Rahmenbedingungen bis an die Grenze des Machbaren auszureizen. IT-Zulage? Go! Stellenanhebungen? Go! Ausreden zählen nicht, wollen wir weiterfahren oder liegen bleiben? Ich meine, wodurch erklärt sich ansonsten der Wunsch von knapp 1/3 der Arbeitnehmer:innen über eine Kündigung nachzudenken?.

Die Mischung aus Demotivation und fehlenden personellen Ressourcen ist ein absolut toxischer Cocktail. In diesem Umfeld hilft es auch nicht als "Change Manager des Monats" das allseits beliebte "Why" herausstellen. Hier bedarf es operativer Schwerstarbeit, die mitunter auch dazu führen muss die Verwaltungsleitung zu schmerzhaften Entscheidungen zu zwingen. Auch hier beeindrucke Zahlen der BANI-Studie, die das ganze Dilemma verdeutlichen.

Effektive Stakeholder-Einbindung: Kommunikationsmix und gezielte Analyse für erfolgreiches Change Management

Und wie binden wir Stakeholder (wozu auch die Beschäftigten gehören) in diesem Minenfeld jetzt sinnvoll ein? Richtig durch einen Mix aus Kommunikationsmaßnahmen. Und nein, damit ist nicht nur das hässliche Intranet gemeint, welches zwischen Fundgrube und Fahrradverleih sein Dasein fristet. Es muss immer einen Mix aus Kommunikationsmaßnahmen geben, denen eine vollständige Stakeholderanalyse vorausgehen muss, sodass diese schlussendlich in einem eindeutigen Kommunikationsplan mündet. Wie sonst soll ich beurteilen, ob mein Personalrat eher auf der persönlichen oder schriftlichen Ebene involviert werden soll? Wie sonst erhalte ich die Unterstützung für mein Vorhaben, wenn ich nicht weiß in welchem zeitlichen Rhythmus ich meine Entscheidungsträger zu involvieren haben? Wer glaubt, dass ihm hier ein Projektplan in Project oder Excel hier weiterhilft … weit gefehlt.

Lasst uns wieder die Hände schmutzig machen.

Ein wenig erinnert mich die skizzierte Situation an die aktuelle Debatte im Umgang mit Künstlicher Intelligenz. KI zeigt uns die gläserne Zerbrechlichkeit von akademischen Wissens- und Sachbearbeitungsjobs, während der Mehrwert von Produktionsarbeiten (wie z.B. Handwerk, Industrie, Pflege) einen zunehmend höheren Stellenwert einnimmt. Eine interessante Wendung der Geschichte, wurde uns doch ständig eingetrichtert, dass die industrielle Revolution 4.0 erst bei Humanrobotern zündet, aber okay. So oder so ähnlich sehe ich das auch in der Transformationsdebatte im Bereich Change Management der öffentlichen Verwaltung. Wenn wir die meiste Zeit in Reden, Diskussionen und unproduktive Jour-Fixe stecken anstatt in "ehrliche Handarbeit" , verlieren wir den Anschluss an die Menschen und schlussendlich auch den Kampf gegen den Wandel.

In diesem Sinne - machen wir uns wieder die Hände schmutzig und gestalten den Wandel aktiv! 

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