Coaching im Verwaltungskontext – Kunst oder kann das weg ?

Nils Brechbühler

Coaching ist in aller Munde. Jeder zweite tauft sich Business, Life- oder Mentalcoach. Aber was macht ein Coach eigentlich und – viel wichtiger – was macht einen guten Coach aus? Mit Sicherheit nicht eine bestimmte Zertifizierung oder Fortbildung als Coach. All das sind nichts weiter als Vorschusslorbeeren oder getragene Schulterklappen, die im Drehbuch des Verwaltungslebens meistens keine Anwendung finden. Vielmehr zeichnet sich ein guter Coach durch Empathie, Erfahrung und die Fähigkeit aus, Menschen dabei zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Völlig unabhängig des privaten, beruflichen oder sozialen Kontextes.  

Entscheidungskomplexität im Verwaltungkontext 

Im Verwaltungsbereich sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig mit komplexen Situationen konfrontiert, die durch unterschiedliche Aspekte und Dimensionen geprägt sind. Dazu gehören: 

  • Fachliche Anforderungen und Expertise 
  • Politische Einflüsse und Entscheidungen 
  • Personalmanagement und Teamdynamik 
  • Persönliche Fähigkeiten und Entwicklung 
  • Strategische Planung und Zielsetzung
  • Rechtliche Rahmenbedingungen und Vorschriften 
  • Gesellschaftliche Erwartungen und Verantwortung 

In dieser Vielschichtigkeit der Entscheidungsfaktoren fällt es vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schwer, den Überblick zu bewahren und überlegt zu handeln. Oftmals entstehen Selbstzweifel und das Gefühl, trotz langjähriger Erfahrung und fachlicher Qualifikation nicht voranzukommen oder in der eigenen Entwicklung stagnieren.  

Die Rolle eines Coaches als Sparringpartner 

Die logische Konsequenz ist die Suche nach Mentoring oder Coaching, um eine klarere Perspektive zu gewinnen und die individuellen Herausforderungen besser bewältigen zu können. Dabei ist es für mich bemerkenswert und irritierend, dass in der Wirtschaft, nahezu jeder DAX-Vorstand eine Fülle an Mental, Präsentations- der Strategiecoaches hat, während die öffentliche Verwaltung dieses Thema eher stiefmütterlich behandelt.  

Dabei würde es der Verwaltung so guttun, vermehrt Sparringpartner auf Zeit zu beschäftigten, die keine Empfehlungen geben, sondern Hilfe zur Selbsthilfe (auf Neudeutsch „Empowerment“). Dabei muss dieser Coach nicht zwangsläufig ein externer Berater sein. In meiner Karriere als angestellte Führungskraft habe ich diverse Projektleitungen auf den Alltag des Projektleitungsleben vorbereitet und Sie mit Herausforderungen konfrontiert, die so nie in einer Coachingschulung abgefragt wurden. Auch der interne Blick in die Verwaltung lohnt sich, denn mitunter sind Sozialarbeiter in einer Kommune bereits ausgebildete Supervisoren, Moderatoren oder Coaches.  

Das Reflexionstagesbuch: Eine effektive Coaching-Technik 

Eine effektive Technik, die insbesondere für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verwaltungsbereich hilfreich sein kann, ist das Führen eines Reflexionstagebuchs. Diese Methode basiert auf der Anzahl der Finger und soll wöchentlich durchgeführt werden: 

  • Kleiner Finger = Körper: Welche Aktivitäten habe ich für mein körperliches Wohlbefinden unternommen? 
  • Ringfinger = Ratgeber: Inwiefern konnte ich anderen Kolleginnen und Kollegen Unterstützung bieten?
  • Mittelfinger = Mentalität: Wie war meine emotionale Verfassung in dieser Woche? 
  • Zeigefinger = Zielerreichung: Bei welchen Aufgaben und Projekten bin ich meinen Zielen näher gekommen? 
  • Daumen = Denkergebnisse: Welche neuen Erkenntnisse und Fähigkeiten habe ich erworben? 

Es ist wichtig, diese Übung regelmäßig und gewissenhaft durchzuführen und die Ergebnisse gemeinsam mit dem Coach zu reflektieren. Durch den Austausch mit dem Coach können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezieltes Feedback erhalten und dadurch die Komplexität ihrer Arbeitssituation besser verstehen und bewältigen. Die Reflexion dieser Übung trägt genau dazu bei, die o.a. Vielschichtigkeit der Herausforderungen sinnvoll zu clustern und effektiv an Lösungssätzen zu arbeiten. Frei nach dem Motto „Nur an einer Schraube drehen“.  

Das Reflexionstagebuch

Die Bedeutung von Coaches mit Verwaltungshintergrund 

Ich bin daher ein großer Verfechter von Coaches, die selbst einen Verwaltungshintergrund haben und somit die vorgetragenen Probleme eindeutig zuordnen können. Ihr Mitgefühl und ihre Kenntnisse ermöglichen es, sich in die Lage der Coachees hineinzuversetzen und ihnen einfühlsam und passgenau zur Seite zu stehen.  

Sie können die Ängste, Sorgen und Bedenken von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Verwaltungsbereich spezifischer erkennen und gezielt auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen. Durch eine Empathie des Verwaltungslebens (Strukturen, Laufbahnen, Beförderungsverbote etc.) und Expertise schaffen sie eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der die Coaching-Maßnahmen zu tiefgreifenden und nachhaltigen Veränderungen führen können.  

Mein Fazit hierzu lautet, dass die Zusammenarbeit mit einem Coach, der einen Verwaltungshintergrund hat, nicht nur die persönliche und berufliche Entwicklung der Coachees betrifft, sondern auch dazu beiträgt, dass der öffentliche Sektor zu einem Ort wird, an dem Menschen gerne arbeiten und sich entfalten können. 

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