Lernen

Kollaboratives und kooperatives Lernen

Jürgen Schmitt

Die Weiterentwicklung von Organisationen hat immer etwas mit Lernen zu tun. Und das Lernen betrifft konkret am Ende jeden einzelnen Mitarbeitenden. Die Inhalte können dabei sehr unterschiedlich sein. Die Spanne reicht von Arbeitsunterweisungen, die Aspekte wie Sicherheit oder Compliance betreffen, der Erwerb von Kompetenzen im Bereich von Prozessen oder der Nutzung von Software bin hin zur Verbesserung von Softskills, die sowohl auf Haltung und Verhalten abzielen. Kurzum – Lernen gehört für moderne Organisationen zum Alltag wie die täglichen Aufgaben des Kerngeschäfts.
Doch wie kann Lernen so organisiert werden, dass sich Lernerfolge zeitnah und nachhaltig einstellen? Wie erzeugt man ein positives Lernklima und eine Lust aufs Lernen? Vor diesen Aufgaben stehen viele Organisationen. Und die Antwort darauf lautet: Kollaboratives und kooperatives Lernen.

Was ist Lernen?

Die Wissenschaft von Neurologie bis hin zur Pädagogik beschäftigt sich schon viele Jahrzehnte mit der Frage wie der Mensch am besten lernt. Zahlreiche Lernmodelle haben das Licht der Welt erblickt und ebenso viele Theorien, wie Lernen am besten funktioniert.

Gerald Straka, ein deutscher Wirtschaftspsychologe und Professor für Erziehungswissenschaft beschreibt Lernen als ein Zusammenspiel von Handeln und Information, Motivation sowie Emotion, das zu nachhaltigen Veränderungen im Verhalten und dessen Voraussetzungen (z. B. Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen) führt.
An seiner Definition ist schon erkennbar, dass der Kontext des Lernens, also die Umgebung, meine Stimmung und Haltung einen relevanten Einfluss auf den Lernerfolg hat. Man lernt, indem man sich aktiv mit neuen Informationen auseinandersetzt (Handeln und Information) und darin auch einen persönlichen Sinn erkennt (Motivation und Emotion). Dies verändert unser Repertoire an Denk-, Fühl- und Handlungsweisen und erweitert damit unsere Möglichkeiten, auf die Herausforderungen des Lebens zu reagieren und diese proaktiv mitzugestalten.

Wie nehmen wir Inhalte wahr und auf?

Die Daten und Informationen, die wir wahrnehmen, sind abhängig von unserer Selbst- und Wirklichkeitskonstruktion. Diese wird wiederum davon bestimmt, welche Beobachtungsinstrumente wir nutzen und welche Filter wir haben, die zwischen unseren Sinnesorganen und der Umwelt stehen. Diese Relevanzfilter treffen eine (oft unbewusste) Vorauswahl der Information, die wir überhaupt als solche wahrnehmen. Die Wahl der Medien beeinflusst dabei ebenfalls unsere kognitiven Fähigkeiten. Beim Griff zum Smartphone geht unser Gehirn in einen anderen „Modus“ als beim Griff zu einem Buch. Marshall McLuhan formulierte in seinem legendären Standwerk „Understanding Media“ aus dem Jahr 1969 den bekannten Satz: The medium is the message.

Was ist Wissen?

Wissen entsteht durch eine Verknüpfung von Informationen mit bereits vorhandenem Wissen, das bedeutet, lernen ist sehr stark assoziativ. Wir kennen alle die berühmte Eselsbrücke, die sich diesen Effekt zunutze macht: 333 bei Isos Keilerei.
Das heißt, beim Lernen werden nicht irgendwelche leeren Stellen im Gehirn befüllt, sondern Neues wird mit bereits bestehenden zueinander in Beziehung gebracht und verknüpft. Das unterscheidet das Gehirn erheblich von der Analogie zur Festplatte. Ein Gehirn hat keine Obergrenze oder Kapazität. Im Gegenteil, je mehr Informationen vorhanden sind, desto mehr Möglichkeiten für Verknüpfungen gibt es. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Erlernen von Sprachen. Bei jeder neuer Sprache fallen uns Vokabeln oder Regeln auf, die man aus anderen Sprachen kennt. So fällt das Lernen weiterer Sprachen immer leichter, weil man mehr Möglichkeiten zum Verknüpfen von bereits erlerntem hat. Dabei unterscheidet man zwischen dem Kurzeit- und Langzeitgedächtnis. Alle Informationen, die eine entsprechende Relevanz haben, schaffen es in unser Langzeitgedächtnis. Dabei unterscheidet man zwischen dem deklarativen oder expliziten Gedächtnis, das alles enthält, was man recht einfach in Worte fassen kann. Und dem impliziten Gedächtnis, das Inhalte speichert, die sich schwer in Worte fassen lassen und mit emotionalen und motorischen Fähigkeiten verbunden sind.

Wie lernen wir?

Beim Vorgang der Einspeicherung wird das Arbeitsgedächtnis genutzt. Es ist eine Sonderform des Kurzzeitgedächtnisses. Hier werden Informationen aktiv gehalten und können so umgeformt werden, dass man sie sich einfacher merken kann, um diese mit bereits gespeicherten Informationen zu verbinden.
Lernen findet dann im verstärkten Maße statt, wenn das Erlernte wiederholt und reflektiert wird. Also eine Kodierung und Rekodierung stattfindet.

Lernzyklus

Wie gut lernen funktioniert, hängt nach Dr. Gerhard Roth von folgenden Faktoren ab:

  • Wie motiviert wir sind
  • Wie es uns emotional geht
  • In welchem Umfeld wir lernen
  • Wie sympathisch die Menschen sind, mit denen wir lernen

Diese Faktoren bilden die Basis für kollaboratives Lernen.

Kollaboratives Lernen

Menschen lernen unterschiedlich. Während die einen am liebsten allein über Büchern brüten, fühlen sich andere in Lerngruppen wohler. Egal zu welchem Lerntyp man gehört, generell gilt, das Lernen dann am erfolgreichsten stattfindet, wenn man die Themen nicht nur liest oder aufschreibt, sondern die Themen reflektiert. Diese Reflexion funktioniert am besten in einer Gruppe im Gespräch. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Lerngruppe sowohl in der Schule bis ins Studium hinein eine wichtige Rolle einnimmt. Genau hier setzt das kollaborative Lernen an. Man lernt gemeinsam. Am Beispiel einer Software sucht man sich ein Lehrvideo, lädt eine andere Person zum Anschauen des Videos ein und nach dem beide Personen das Video gesehen haben, tauschst man sich über das Video aus. Das gemeinsame Lernen erhöht im anschließenden Dialog nicht nur den Lerneffekt, sondern es steigert auch die Motivation, da man weiß, jemand anders beschäftigt sich auch mit diesen Inhalten. Und man möchte natürlich im folgenden Gespräch nicht den Eindruck hinterlassen, als ob man entweder nicht aufmerksam war oder schlichtweg nichts verstanden hat. Dieser kleine Challenge kann sehr motivierend wirken, wenn er nicht verbissen gesehen wird.

Kooperatives Lernen

Beim kooperativen Lernen teilt man komplexere Themen auf in Unternehmen. Man verteilt diese Themen an unterschiedliche Teams, die sich den jeweiligen Themen widmen. So kann man die Menge an Inhalten auf die Schultern mehrerer Personen verteilen. Im Anschluss findet dann ein Austauch der Teams über die jeweilig gelernten Themen statt. Idealerweise lernen natürlich die Teams die Themen, die später im Job bezogen auf ihre Tätigkeiten eine hohe Relevanz haben.

Kooperatives Lernen

Fazit

Lernen ist ein komplexer kognitiver Prozess, bei dem sowohl alle Sinne als auch die Kontexte eine große Rolle spielen hinsichtlich des Lernerfolgs. In jedem Fall ist eine positive Grundhaltung Neues zu lernen unabdingbar, um uns so zu „primen“, damit neue Themen und Inhalte uns überhaupt erreichen und ein Lernen möglich ist.
In Organisationen sollte Lernen so organisiert werden, dass sowohl das kollaborative als auch das kooperative Lernen gefördert wird. Auch hier gilt, gemeinsam kann man mehr und vor allem schneller erreichen.

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